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Lesedauer 9 Min.

Der agile Manager

Management im agilen Umfeld erfordert ein Umdenken bei der Führung agiler Teams.
Das Thema Agilität und dessen Ausprägungen (zum Beispiel Kanban oder Scrum) sind seit Längerem bekannte Prozesse, die sich aber erst in der heutigen Zeit durch sich stetig ändernde Anforderungen wie Time-to-Market stärker im Projektalltag etablieren. Damit einher gehen ein stetiger Wandel sowie neue Rollen mit unterschiedlichen Verantwortlichkeiten und Aufgaben.In der Regel am stärksten von diesem Wandel betroffen ist das Management. Schließlich haben sich dessen Rolle und die damit verbundenen Aufgaben im agilen Kontext verändert. Zu den klassischen Aufgaben eines Managers gehören unter anderem:
  • kontrollieren und steuern,
  • entscheiden und berantworten,
  • Orientierung geben,
  • Ziele vereinbaren,
  • delegieren,
  • Mitarbeiter weiterentwickeln,
  • Reporting.
In einem agilen Kontext werden diese Aufgaben zum Teil ganz anders umgesetzt und verfolgt. Bei agilen Methoden und Prozessen steht nun nicht mehr der Manager im Vordergrund, sondern das Team, das die Organisation vieler Dinge selbstständig übernimmt.Viele Manager sind mit dem neuen Umfeld und dessen Herausforderungen überfordert und sehen ihre Position und Funktion im Unternehmen bedroht. Doch im agilen Umfeld ist die Management-Aufgabe wichtiger denn je. Es gilt allerdings zu begreifen, dass sich die Rolle und deren Anforderungen geändert haben und Manager sich auf diese Änderungen einstellen müssen. Das Steuern und Kontrollieren sowie das Entscheiden und Verantworten liegt nicht mehr allein beim Management, sondern häufig beim Team selbst.Welche Aufgaben hat aber nun ein Manager in diesem Kontext, und wie kann Führung hier verstanden werden? Dazu ist es notwendig, zuerst einmal das agile Wertesystem [1] zu betrachten.

Das agile Wertesystem

Die Einführung beziehungsweise Umsetzung agiler Prozesse kann nur gelingen, wenn die grundlegenden Werte (Bild 1) von jedem Einzelnen verinnerlicht und umgesetzt werden. Wie hängt aber nun das Wertesystem mit der Unternehmens- und Teamkultur zusammen, und wie kann das Management auf dieses System aufbauen?Um diese Frage zu klären, muss man zunächst ein anderes Wertesystem betrachten: das Graves-Modell (Bild 2). Das Modell wurde von Clare W. Graves begründet und beschreibt ­eine Wertespirale, anhand derer sich Gesellschaften entwickeln [2]. Die Entwicklung erfolgt von unten nach oben, wobei oben nicht automatisch besser bedeutet.
Auf der linken Seite des Modells werden die individuellen, inneren Werte betrachtet, auf der rechten Seite die kollektiven Werte (das Wir).Jede Stufe hat entsprechende Antriebswerte, aber auch ihre Schattenseiten. Beispielsweise schafft die blaue Stufe (Ordnung) Prozesse und Regeln als Rahmen, gleichzeitig wird dadurch aber auch der individuelle Gestaltungsspielraum kleiner.
Das Modell eignet sich beispielsweise auch als Werkzeug bei der Kommunikation, da man schnell feststellt, auf welcher Stufe sich die Person gegenüber gerade befindet. Nur wenn sich beide auf derselben Stufe begegnen, findet ein für beide verständliches Gespräch statt – ähnlich wie beim Prinzip der Kommunikation auf Augenhöhe.Kombiniert man nun das agile Wertesystem mit dem Graves-Modell, so ergibt sich die in Bild 3 dargestellte Konstellation. Wie man auf den ersten Blick erkennt, sind folgende Werte aus dem Graves-Modell essenziell für die Umsetzung der agilen Werte:
  • Identifikation,
  • Macht,
  • Ordnung,
  • Erfolg,
  • Gemeinschaft.
Welche Rolle beziehungsweise welche Aufgaben hat nun das Management in diesem Kontext?Um diese Werte zu etablieren, muss der Manager das Team unterstützen und beraten. Erfolg beispielsweise wird erreicht, wenn man dem Team einen Rahmen gibt und den Teammitgliedern hilft, sich auf die konkreten Dinge zu fokussieren. Dies wird unter anderem erreicht, indem Ziele – sowohl Teamziele als auch individuelle Ziele – im Rahmen eines Dialogs festgelegt (Management by Objectives), gemessen und mit dem Team zusammen ausgewertet werden. Ziel ist es hier auch, die Arbeit des Teams effizienter zu gestalten.Der Manager kann das Team unterstützen, indem er Hindernisse aus dem Weg räumt, die das Team im Hinblick auf den Fokus seiner Arbeit blockieren würden. Gleichzeitig ist es notwendig, dass eine offene Fehlerkultur und ein kon­struktives Miteinander geschaffen werden. Dies ist nur dann möglich, wenn das Management regelmäßig Feedback, Wertschätzung und Vertrauen gegenüber dem Team und den einzelnen Mitarbeitern spiegelt (zum Beispiel in Einzelgesprächen oder in den Sprint-Reviews) und das Team darin schult, dies auch untereinander zu praktizieren.Ebenfalls unabdingbar ist in diesem Zusammenhang die stetige Kommunikation, da dadurch bewusst sowohl Know-how als auch Informationen zwischen den Teams ausgetauscht werden und sich die Teammitglieder besser kennenlernen. Dies wiederum führt dazu, dass das Team sich mit der Zeit selbst einzuschätzen lernt und sich damit auch besser selbst organisieren kann. Die Aufgabe des Managers ist es hier, das Team zu ermutigen, Netzwerke auch über Hierarchiegrenzen hinweg zu schaffen.An dieser Stelle tritt nun das gegenseitige Vertrauen in den Mittelpunkt. Ein Micro-Management ist hier eher hinderlich als förderlich, da das Team einen gewissen Freiraum für Krea­tivität braucht. Dieser Freiraum muss vom Management geschaffen und das Team während der Arbeit vor Angriffen von außen geschützt werden.Vielen Managern fällt gerade das Vertrauen in die Selbstorganisation sehr schwer, sodass sie selbst wieder in das Micro-Management verfallen. Es ist wichtig, dem Team zu verstehen zu geben, dass die Verantwortung nicht mehr allein beim Management, sondern auch beim Team liegt. Dies ist kein Problem, wenn jeder Einzelne sich sowohl mit dem Team als auch mit der Aufgabe identifiziert.Durch das entgegengebrachte Vertrauen und die Wertschätzung ist auch die Hemmschwelle geringer, sich mit einem auf den ersten Blick unbekannten Thema auseinanderzusetzen und zu experimentieren (Mut).Wie man im Großen und Ganzen erkennen kann, ist eine gute Team- und Unternehmenskultur wichtig, um das Wertesystem als Grundlage für den agilen Prozess zu etablieren. Diese Kultur zu prägen ist eine der Hauptaufgaben des Managements.

Führung nach Management 3.0

Der von Jurgen Appelo begründete Begriff für agiles Management lautet Management 3.0. Hinter diesem Begriff verbirgt sich das Verständnis, Systeme und nicht Individuen zu managen, vergleiche [3].Da Teams jedoch in ihrer Art ebenfalls komplexe Systeme sind, werden Führungswerkzeuge benötigt, um diese Komplexität besser beherrschbar zu machen.Die Grundidee ist, dass das System nicht mehr nur von einem Manager verwaltet wird, sondern dass diese Aufgabe auf mehrere Personen verteilt werden sollte. Die damit einhergehenden wesentlichen Aufgaben und Werkzeuge einer Führungskraft im agilen Kontext sind:
  • Eine Vision schaffen.
  • Rahmenbedingungen schaffen.
  • Kompetenzen erkennen, entwickeln und fördern.
  • Mitarbeiter motivieren.
  • Teams zu eigenem Handeln befähigen.
  • Strukturen schaffen.
  • Kontinuierlich Verbesserungen anstoßen.
  • Als Vorbild agieren.
  • Dem Team helfen, mit Fehlern umzugehen.
  • Mediation bei Konflikten (im Team und mit Rollen außerhalb des Teams).
  • Die richtigen Leute für das Scrum-Team finden.

Kontinuierliche Verbesserung

Ein wesentlicher Aspekt der kontinuierlichen Verbesserung wird im agilen Kontext bereits durch Retrospektiven ermöglicht. Dies allein genügt jedoch nicht, da das Management dem Team auch signalisieren muss, dass ein Freiraum für Experimente in der Art der Entwicklung möglich ist.Nur durch Experimente kann festgestellt werden, was erfolgreich und was weniger erfolgreich ist, um daraus Best Practices ableiten zu können und Fehler nicht zu wiederholen. Hierzu ist, wie bereits erwähnt, ein entsprechendes Vertrauen notwendig.

Mitarbeiter motivieren

Ein anderer Aspekt ist die Motivation der Mitarbeiter. Es ist eine wesentliche Aufgabe des Managers, alles in seiner Macht Stehende zu tun, um die Mitarbeiter zu motivieren und sie zu befähigen, kreativ an die Aufgaben heranzugehen, denn der wichtigste Motor einer Organisation sind ihre Mitarbeiter. Dabei ist zu berücksichtigen, dass jeder Mitarbeiter unterschiedliche Motivatoren hat. Die zehn gängigsten Motivatoren sind:
  • Neugier,
  • Ehre,
  • Akzeptanz,
  • Kompetenz,
  • Macht,
  • Freiheit/Unabhängigkeit,
  • Sozialer Kontakt,
  • Ordnung,
  • Bestimmung,
  • Status.
Die Führungskraft kann auf Basis dieser Motivatoren mit jedem Einzelnen überprüfen, welche Motivatoren wichtig und welche eher unwichtig sind, um damit zu erkennen, welche Motivatoren berücksichtigt werden müssen, um das Ziel zu erreichen, sowohl jeden Einzelnen als auch das gesamte Team zu motivieren.

Teams zur Selbstorganisation befähigen

Eine weitere Aufgabe des Managements ist es, das Team zu eigenem Handeln zu befähigen und sich dadurch selbst zu organisieren. Dies kann nur gelingen, wenn das Management dem Team das Vertrauen, die Entscheidungskompetenz und die Verantwortung für die eigenen Entscheidungen überlässt und das Team darin weitestgehend unterstützt.Eine Möglichkeit besteht darin, zusammen mit dem Team festzulegen, wie und von wem bestimmte Entscheidungen getroffen werden können. Hierzu existieren sieben unterschiedliche Stufen:
  • Tell: Die Entscheidung obliegt dem Manager.
  • Sell: Mitarbeiter von der Entscheidung überzeugen.
  • Consult: Informationen vom Team einholen, bevor die Entscheidung getroffen wird.
  • Agree: Die Entscheidung zusammen mit dem Team fällen.
  • Advise: Die Entscheidung des Teams beeinflussen. Das Team entscheidet jedoch komplett alleine.
  • Inquire: Feedback vom Team bezüglich der im Team getroffenen Entscheidung einholen.
  • Delegate: Das Team entscheidet ohne das Management.

Management und der Scrum Master

Betrachtet man die relevanten Aufgaben und Werkzeuge des Managements, fällt schnell auf, dass vieles auch im Verantwortungs- und Aufgabenbereich des Scrum Masters liegt. Bedeutet dies im Umkehrschluss, dass ein Manager auch gleichzeitig in der Rolle des Scrum Masters agieren kann? Diese Frage kann man sowohl mit Ja als auch mit Nein beantworten. Die wesentliche Gefahr einer solchen Konstellation besteht darin, dass Manager auch disziplinarische Befugnisse besitzen und damit die Organisation und Arbeitsweise des Teams beeinflussen können, was auch sehr leicht missbraucht werden kann. Weiterhin ist ein Manager nie Teil des Teams, der Scrum Master ist jedoch eine wesentliche Schnittstelle ins Team. Darüber hinaus ist der Scrum Master auch eine zentrale Vertrauensperson, sowohl für das Team als auch für den Product Owner. Die Führungskraft ist für Mitarbeiter nicht bei allen persönlichen Belangen die richtige Ansprechperson.Damit Manager also auch die Rolle des Scrum Masters ausfüllen können, muss eine strenge Disziplin seitens des Managers gegeben sein. Eine weitaus bessere Variante ist es, dass Manager den Scrum Master unterstützen.

Die Theorie der Ich-Zustände

Bei der Ein- und Durchführung von Scrum werden teils klassische Rollen, die es so in Scrum nicht gibt (zum Beispiel Projektleiter) anders gelebt. Dies führt zu unterschiedlichen ­Reaktionen bei den Betroffenen. Die einen begrüßen den Wandel, die anderen sehen die Gefahr des Status- und Kompetenzverlusts. Aufgabe des Managements ist es, die Personen entsprechend in den Change-Prozess einzubinden. Wichtig ist es dabei, dass eine sinnvolle Kommunikation nur über eine konstruktive Haltung (auf Augenhöhe) erfolgen kann. Was ist damit gemeint?
Die Theorie der Ich-Zustände [4] beschreibt drei Ebenen der Kommunikation (siehe Bild 4). Ängstliche Personen verfallen oft in das Kind-Ich. Eine konstruktive Kommunikation kann aber nur über die Erwachsenenebene erfolgen. Die Herausforderung ist es nun, die sich im Kind-Ich befindliche Person auf die Erwachsenen­ebene zu bekommen, um mit ihr auf Augenhöhe kommunizieren zu können. Dies kann beispielsweise dadurch erreicht werden, dass man die Person aktiv in Entscheidungen einbezieht und damit die Möglichkeit schafft, die eigene Rolle mitzugestalten. Dadurch werden entsprechende Ängste beseitigt. Dieses Werkzeug findet nicht nur im Kontext eines Change-Prozesses Verwendung, sondern auch in anderen Zusammenhängen, beispielsweise bei Konfliktsituationen.

Fazit

Die Rolle des Managements im agilen Kontext ist trotz Selbst­organisation des Teams essenziell, damit das Vorgehen gelingen kann [5]. Dabei bleiben die klassischen Management-Aufgaben bestehen, werden jedoch teilweise nicht mehr alleine vom Management bewältigt. Wesentliche Kompetenzen des Managements sind nicht mehr nur Steuern und Entscheiden, sondern vielmehr Coaching und Unterstützung der Mitarbeiter im Hinblick auf Selbstorganisation, Kompetenzentwicklung und Kommunikation. Um diese Aufgaben wahrnehmen zu können, muss ein Umdenken stattfinden, das einen Kulturwandel ermöglicht, denn die Unternehmens- und Teamkultur ist ein wesentlicher Grundstein für den Aufbau eines agilen Systems. Management und Team müssen jederzeit auf Veränderungen reagieren können. Die Komplexität im Wandel zu beherrschen wird damit zur wichtigsten Aufgabe des Managers. 

Fussnoten

  1. Scrum Alliance, Scrum Values – The Agile Manifesto, http://www.dotnetpro.de/SL1708AgilManagement1
  2. Don E. Beck, Christopher C. Cowan, Spiral Dynamics – Leadership, Werte und Wandel, Eine Landkarte für Business, Politik und Gesellschaft im 21. Jahrhundert, Kamphausen, ISBN 978-3-89901107-4,
  3. Jurgen Appelo, Management 3.0, Leading agile Developers, Developing agile Leaders, Addison-Wesley, ISBN 978-0-321-71247-9,
  4. Wikipedia – Die Theorie der Ich-Zustände, http://www.dotnetpro.de/SL1708AgilManagement2
  5. Boris Gloger, Dieter Rösner, Selbstorganisation braucht Führung, Die einfachen Geheimnisse agilen Managements, Hanser, ISBN 978-3-44643828-6,

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