16. Feb 2017
Lesedauer 12 Min.
Der Weg zum Spitzenteam
Teamentwicklung
Warum reichen uns die normalen Teams nicht aus? Wofür brauchen wir Hochleistungsteams?

Manche Projekte sind besonders schwierig oder riskant und gleichzeitig von großem wirtschaftlichem Interesse. Wenn besonders hohe Flexibilität gefordert ist, weil sehr schnell auf die Dynamik des Umfelds reagiert werden muss, um zum Projekterfolg zu kommen, wird es Zeit, über Hochleistungsteams nachzudenken. Ebenso verhält es sich zum Beispiel bei besonders innovativen Themen. Dann ist mehr als der Durchschnitt gefragt – wo immer der in der jeweiligen Firma verglichen mit der Konkurrenz auch liegen mag.Ein Team ist zuerst noch kein Team, sondern eine Gruppe von Menschen, die klären müssen, wie sie zusammenarbeiten wollen. Somit ist eine Gruppenstruktur nicht statisch, sondern dynamisch. Sie verändert sich im Lauf der Zeit von allein, weil sich die Menschen in der Gruppe verändern und weiterentwickeln. Was heute noch völlig in Ordnung und sehr angenehm ist, kann morgen schon als inakzeptabel empfunden werden.Die Gruppe reagiert ihrerseits auf diese Veränderungen, was wiederum zu einer rückkoppelnden Veränderung der Gruppe führt. So ergibt sich zwangsläufig in Gruppen über einen längeren Zeitraum eine Dynamik, aus der Konflikte entstehen. Ein „Team“ hat diese Konflikte konstruktiv gelöst.
Die Teamuhr
Die Entwicklung einer Gruppe wird häufig in Phasen beschrieben. Das Phasenmodell aus Bild 1 basiert auf Ideen von Bruce W. Tuckman aus dem Jahr 1965 [1, 2]:- Orientierungsphase (Forming): Diese Phase ist geprägt von Unsicherheit und distanziertem Verhalten bis hin zur Zurückgezogenheit. Die Gruppe ist neu geformt und ihre Mitglieder sind höflich und eher unpersönlich. Sie versuchen, sich an die neue Situation und die ihnen bislang fremden Menschen zu gewöhnen. Dabei sind die Gruppenmitglieder eher angespannt und verhalten sich meist vorsichtig.
- Konfliktphase (Storming): Daran schließt sich die Konfliktphase an, auch Machtkampfphase genannt. Jetzt bilden sich Cliquen, es gibt unterschwellige Konflikte bis hin zur Konfrontation. Die Gruppe kommt nur mühsam voran und es macht sich ein Gefühl der Ausweglosigkeit breit. Um die gruppeneigenen Führungsrollen wird gekämpft und es bilden sich die inneren Strukturen heraus. Diese Phase ist die Härteprobe einer Gruppe und es zeigt sich, wer Machtkämpfe besser durchsteht und wer weniger.
- Organisierungsphase (Norming): Hier etablieren sich die gruppeneigenen Umgangsformen und Verhaltensweisen. Es gibt mehr oder weniger offenes Feedback und eine Konfrontation der Standpunkte. Der noch in der Konfliktphase vorherrschende Konkurrenzgedanke entwickelt sich weiter zu einer intensiven Zusammenarbeit. Jedes Mitglied hat seinen Platz mit seinen Aufgaben und ist damit auch innerhalb der Gruppe weitgehend akzeptiert.
- Hochleistungsphase (Performing): Die Gruppe hat ihre Hochleistungsphase erreicht. Sie ist ideenreich, flexibel, offen für Neues, untereinander solidarisch und hilfsbereit. Häufig erreicht sie einen idealen Arbeitsfluss (Flow) und wird im optimalen Fall bestmöglich leistungsfähig.
- Umorientierungsphase (Reforming): Nach der Zeit der Hochleistung erfolgt zumindest für einige aus der Gruppe der Aufbruch zu neuen Ufern. Die Umorientierungsphase, auch Trennungsphase genannt, ist erreicht. Dies eröffnet anderen Gruppenmitgliedern die Möglichkeit zum Nachrücken, und die Gruppenstruktur verändert sich meist dramatisch. Es entstehen Unruhe und Unzufriedenheit.
Wie Bild 1 darlegt, vermittelt die Dynamik das Gefühl einer Sisyphusarbeit, als ob das Team nicht vorankäme, und wirkt vielleicht etwas deprimierend. Dies ist glücklicherweise nicht der Fall. In dem Schema fehlt die dritte Dimension, die Leistungsfähigkeit. Durch den permanenten Lernprozess, den sowohl das Team als auch die einzelnen Mitglieder durchleben, werden diese im Lauf der Zeit besser. Dies geschieht sprunghaft und mit Rückschritten oder einem Einbruch in der Konfliktphase, doch es geht voran, wie es Bild 2 verdeutlicht [3].
Teamentwicklung als Prozess
Ein Team setzt sich aus verschiedenen einzelnen Persönlichkeiten zusammen, die jeweils über eigene, beruflich besonders relevante Fähigkeiten wie Kommunikations-, Kooperations- und Teamfähigkeit verfügen. Dazu bringt jedes Teammitglied seine Erfahrungen aus der Zusammenarbeit mit den anderen Mitgliedern mit. Sie machen die Vorgeschichte eines Teams aus (Bild 3 links).
Diese Individuen treffen im Rahmen einer konkreten Aufgabe oder eines Projekts aufeinander. Diese Situation lässt sich auch in einem extra dafür vorgesehenen Workshop zur Teamentwicklung durchspielen. Jeder hat in bestimmten Situationen seine eigenen Bedürfnisse, die zumindest zum Teil den anderen nicht bekannt sind. So lassen sich die Wahrnehmungsfähigkeiten der einzelnen Personen heranziehen, um mit ihnen direkt im Workshop am konkreten Beispiel zu arbeiten (Was nehmen die einzelnen Teammitglieder wahr?). Als letzte Ingredienz kommt eine notwendige Prozesskompetenz hinzu, die entweder bereits in der Gruppe durch einzelne Personen vorhanden ist oder beispielsweise im Rahmen eines Workshops zur Teamentwicklung von außen hinzukommt (Bild 3 oben) [4].So erreicht das Team seine Arbeitsfähigkeit, die auf das Team und die konkrete Aufgabe ausgerichtet ist. Regeln und Vereinbarungen, wie die einzelnen Personen miteinander umgehen, werden explizit und implizit aufgestellt. So entwickeln sich eine Identität des Teams und gleichzeitig die soziale Kompetenz der einzelnen Mitglieder (Bild 3 rechts). Aus einzelnen Persönlichkeiten ist ein Projektteam geworden.In der Teamentwicklung kann so früh wie möglich explizit an der Teamidentität und den Regeln gearbeitet werden. In der Konfliktphase sind die Ziele der Einzelnen mit den Gruppenzielen abzugleichen und verbindliche Regeln für die Zusammenarbeit zu entwickeln. Dies kann an eigenen kleinen Aufgaben ohne Projektbezug in einem Workshop erfolgen oder direkt in der Projektarbeit bei der Bearbeitung erster Aufgaben.Daher ist es in der Projektplanung mit neuen Teams so wichtig, zu Beginn Aufgaben auszuwählen, die schnell Erfolge bringen und nicht zu kritisch sind. Das neue Team braucht sie zum Üben. Es kann also, wie bereits gezeigt, sinnvoll für die Entwicklung eines neuen Teams sein, zu Beginn eines Projekts mit einfachen Aufgaben zu starten, bevor die schwierigen, riskanten Themen bearbeitet werden.Über die Reflexion der einzelnen Mitglieder über sich selbst und die Wahrnehmung der anderen kann die Gruppe in kleinen Schritten in einer Retrospektive am Ende eines jeden Schritts bewusst lernen; so entwickelt sich das Projektteam. Sobald sich der erste Erfolg einstellt, kann eine umfangreichere Bestandsaufnahme erfolgen. Jetzt gilt es, die Regeln aufzuschreiben und die unterschiedlichen Sichtweisen dazu zu finden.
Implizite und explizite Regeln
Die Sichtweisen hängen dabei stark von den individuellen tiefen Überzeugungen der einzelnen Teilnehmer ab [3]. Ein kurzes Beispiel soll dies erläutern: Eine Projektgruppe hat unter anderem folgende explizite Regeln ins Projekt-Wiki geschrieben:- Ein aufkeimender Konflikt zwischen Teammitgliedern ist sofort und direkt anzusprechen.
- Neu erkannte Risiken oder Veränderungen an der bisherigen Risikoeinschätzung sind sofort der Projektleitung zu melden.
Hochleistungsteam? Motivation!
Warum möchte jemand Mitglied eines Hochleistungsteams sein? Das bedeutet doch sehr intensive, harte Arbeit! Die Motivation ist natürlich sehr individuell und beruht auf einem ganzen Bündel an möglichen Bedürfnissen, die ein Hochleistungsteam erfüllt. Damit sich ein solches Team wirklich dauerhaft herauskristallisiert und weiterentwickelt, ist darauf zu achten, so viele dieser Bedürfnisse wie möglich so gut wie möglich zu erfüllen. Die folgende unsortierte Ideensammlung kann für die Teambildung Anregungen geben [3]:- erhöhte Erfolgswahrscheinlichkeit,
- zur besonderen Gruppe dazugehören,
- gemeinsame Werte leben,
- Spaß an der Arbeit,
- Selbstverwirklichung,
- hohes Tempo,
- intensive Beziehungen,
- eingespielt sein,
- öfter und intensiver in den Flow kommen,
- Anerkennung erhalten,
- eigenen Wert bestätigen,
- von anderen lernen und sich weiterentwickeln,
- besonders schwierige Aufgaben bewältigen können,
- Entlastung, da sich jeder auf seine eigenen Stärken fokussieren kann,
- sich auf das Engagement der anderen Teammitglieder verlassen können.
Hochleistung? Flow!
Auch hier taucht der Begriff „Flow“ auf. Was hat es damit auf sich? Mihály Csíkszentmihályi geht davon aus, dass der Mensch Herausforderungen sucht und nach mehr Komplexität strebt. Er hat den Flow untersucht und als Begriff bekannt gemacht [6]. Dabei handelt es sich gleichermaßen um einen Zustand und ein Erlebnis, das besonders motiviert. Flow entsteht, wenn gute Fertigkeiten auf die passenden Herausforderungen treffen. Es kann dann ohne weitere Störung ein Gefühl hohen Glücks entstehen und gleichzeitig mit voller Konzentration gearbeitet werden. Die zu verfolgenden Ziele sind klar und das eigene Handeln erfährt eine sofortige Rückmeldung (Bild 4).
Dadurch entsteht das Gefühl, völlig eingebunden zu sein. Das Zeitgefühl verändert sich, es zählt nur noch die Gegenwart. Die Situation scheint vollständig beherrschbar. Motivierte Mitarbeiter versuchen, diesen Flow möglichst oft zu erreichen. In diesen Phasen sind die Arbeitsergebnisse häufig besonders wertvoll.
Fazit
Aus einer Gruppe ein Team zu formen und diese in die Phase der Hochleistung, des Performing zu führen, ist eine zentrale und permanente Führungsaufgabe. Es geht darum, die richtigen Personen auszuwählen und ihnen zu vertrauen. Gleichzeitig gilt es, die sich aus der Teamuhr zwangsläufig ergebenden Konflikte konstruktiv zu lösen, um die Grundlage für beste Leistungen zu schaffen.Die intrinsische Motivation der Teammitglieder gilt es zu bewahren und zu fördern [7]. Dazu werden Rahmenbedingungen geschaffen, in denen es dem Team gelingt, möglichst oft im Flow zu arbeiten. So entstehen die Produkte, die von der Konkurrenz unterscheiden und wirtschaftlich erfolgreich machen.Fussnoten
- Bruce W. Tuckman, Developmental sequence in small groups, Psychological Bulletin, 1965 Volume 63,Seite 384 ff.,
- Uwe Vigenschow, Björn Schneider, Ines Meyrose, Soft Skills für Softwareentwickler, ISBN 978-3-86490-190-4,
- Uwe Vigenschow, Björn Schneider, Ines Meyrose,Soft Skills für IT-Führungskräfte und Projektleiter,ISBN 978-3-86490-395-3,
- Daniela Mayrshofer, Hubertus Kröger,Prozesskompetenz in der Projektarbeit, 2011,ISBN 978-3-937444-73-4,
- Reinhard K. Sprenger, Mythos Motivation – Wege aus der Sackgasse, ISBN 978-3-593-50156-7,
- Mihaly Csikszentmihalyi, FLOW im Beruf,ISBN 978-3-608-98041-7,
- Uwe Vigenschow, Mythos Motivation, Teamentwicklung, dotnetpro 2/2017, Seite 42 ff.,, http://www.dotnetpro.de/A1702Motivation