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Lesedauer 13 Min.

Mythos Motivation

Entwickler bringen Arbeitsfreude und Engagement meist schon von Haus aus mit. Diesen inneren Antrieb zu erhalten sollte für Führungskräfte im Fokus stehen.
Da musst du dein Team stärker motivieren!“ Welcher Projektleiter, Scrum Master oder Teamleiter hat diesen Satz nicht schon einmal gehört. Doch wie bereits Reinhard Sprenger in „Mythos Motiva­tion“ [1] darlegt, steckt hinter dieser Aussage ein grundlegender Denkfehler.Dieser Denkfehler wird deutlich, wenn wir den zitierten Satz mit einem der zwölf Prinzipien aus dem Agilen Manifest vergleichen. Dort steht: „Errichte Projekte rund um motivierte Indivi­duen. Gib ihnen das Umfeld und die Unterstützung, die sie benötigen, und vertraue darauf, dass sie die Aufgabe erledigen.“ [2] Wir können solche Menschen nicht wirksam von ­außen motivieren – sie sind es bereits. Unsere Aufgabe als Führungskraft ist es, zu vermeiden, dass diese intrinsische Motivation vernichtet wird.

Etwas Psychologie zum Einstieg

Motivation wird oft nur im eingeschränkten Sinne der Theo­rien von Abraham Maslow (1908–1970) oder Frederick Herzberg (1923–2000) gesehen. Maslow hat in seiner ursprünglichen Theorie eine Hierarchie von Bedürfnissen ­entwickelt, die bekannte Bedürfnispyramide (Bild 1). Diese fundiert auf den körperlichen Grundbedürf­nissen und baut sich dann über die Bedürfnisse nach Sicherheit, sozialen Beziehungen und sozialer Anerkennung bis zur Selbstverwirklichung auf [3].
Die Defizitbedürfnisse auf den unteren drei Stufen und Teilen der vierten müssen befriedigt sein, damit wir zufrieden sind. Sind sie erfüllt, besteht keine weitere Motivation mehr in dieser Richtung. Dagegen stehen die Wachstumsbedürfnisse der darüber liegenden Stufen, die nie vollständig befriedigt werden können. Hier sieht Maslow die Triebfedern für unseren lebenslangen Versuch, uns weiterzuentwickeln.

Tabelle 1: Zwei-Faktoren-Theorie nach Herzberg [3]

Hygienefaktoren Motivatoren
Entlohnung und Gehalt Leistung und Erfolg
Personalpolitik Anerkennung
Zwischenmenschliche Beziehungen zu Mitarbeitern und Vorgesetzten Arbeitsinhalte
Führungsstil Verantwortung
Arbeitsbedingungen Aufstieg und Beförderung
Sicherheit der Arbeitsstelle Wachstum
Herzberg geht in seiner Zwei-Faktoren-Theorie davon aus, dass es einerseits sogenannte Hygienefaktoren gibt, die eine Unzufriedenheit ausschließen, jedoch nicht aktiv zur Zufriedenheit beitragen, und andererseits sogenannte Motivatoren, welche die Motivation zur Leistung beeinflussen. Motivatoren betreffen primär die Arbeitsinhalte und verändern die Zufriedenheit positiv. Ihre Abwesenheit führt jedoch nicht zwangsläufig zu Unzufriedenheit. In Tabelle 1 sind typische Hygienefaktoren und Motivatoren gegenübergestellt. In der Kombination ergeben sich vier Grundsituationen [3]:
  • Hohe Hygiene / starke Motivatoren: Idealsituation mit hoch motivierten Mitarbeitern und wenigen Beschwerden
  • Hohe Hygiene / schwache Motivatoren: kaum Beschwerden, aber schlechte Motivation (Söldner-Mentalität)
  • Geringe Hygiene / starke Motivatoren: aufregender, herausfordernder Job unter schlechten Arbeitsbedingungen: hoch motivierte Mitarbeiter mit vielen Beschwerden
  • Geringe Hygiene / schwache Motivatoren: unmotivierte Mitarbeiter mit vielen Beschwerden

Intrinsische Motivation

Die Motivation der Mitarbeiter gilt als klassische Aufgabe der Projektleitung und von Personalverantwortlichen. Oftmals wird sie dabei auf die äußere, die sogenannte extrinsische Motivation reduziert. Äußere Anreize sollen dabei der Steuerung und Motivation dienen. Äußere Anreize stumpfen jedoch schnell ab und zeigen dann keine Wirkung mehr, ja, sie können am Ende sogar demotivieren.Eine solche äußere, also extrinsische Motivation ist daher kaum möglich und wenn, nur von kurzer Dauer. Typischerweise erfolgt sie über äußere Anreize, sowohl monetär wie über Prämien oder Gehaltserhöhungen als auch über den Status, zum Beispiel durch zusätzliche Privilegien wie ein eigenes Büro. Äußere Anreize verblassen schnell und erzeugen einen Gewöhnungseffekt, der leicht ins Gegenteil umkippen kann: „Ich habe die Prämie die letzten vier Jahre bekommen, wieso dieses Jahr nicht?“Der Führungsrolle kommt daher beim Thema Motivation nur die Aufgabe zu, mögliche Demotivatoren, die Hygienefaktoren, zu erkennen und weitestgehend zu eliminieren [1]. Für ihre innere, das heißt intrinsische Motivation sind die Teammitglieder selbst verantwortlich. Die Teamzusammenstellung ist damit ein entscheidender Erfolgsfaktor. Der wesentliche Faktor ist neben der fachlichen Kompetenz die intrinsische Motivation der einzelnen Kandidaten. Das Job-Characteristics-Modell nach J. Richard Hackman und Greg R. Oldham kann dazu Hilfestellung geben (Bild 2) [3].
Das Job-Characteristics-Modell zeigt die fünf vorteilhaften Kernmerkmale von Arbeit auf (links) und deren Wirkung auf die intrinsische Motivation [3]. Dabei geht es im Wesentlichen um drei Aspekte:
  • Sinn: Der Mitarbeiter erlebt, dass sein Handeln und Wirken einen Sinn hat.
  • Verantwortung: Der Mitarbeiter ist für sein Handeln im vorgegebenen Rahmen verantwortlich und hat einen entsprechenden Entscheidungsspielraum.
  • Sichtbarkeit: Der Mitarbeiter erhält Rückmeldungen über die Wahrnehmung seiner erzielten Ergebnisse.
Als Führungskraft sind wir dafür verantwortlich, in den Arbeitsinhalten und dem Arbeitsumfeld diese drei Aspekte möglichst gut wahrnehmbar zu berücksichtigen und zu integrieren. Dies betrifft typischerweise die Aufteilung und Verteilung von Aufgaben und die Einbindung der Mitarbeiter in die Prozesse des Arbeitsumfelds. Kennen die Entwickler die Welt der Anwender und einige der Anwender persönlich? Gibt es einen regelmäßigen direkten Kontakt? Haben die Entwickler einen eigenen Entscheidungsspielraum, den sie ausnutzen können? Wie führen wir sie an weitere Aufgaben und Verantwortlichkeitsbereiche heran? Weiß jeder, was er zum Gesamtergebnis beiträgt? Diese Fragen gilt es zu beantworten, und zwar für jedes Teammitglied individuell.Die Bedeutung und Wahrnehmung dieser Faktoren ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich, weshalb es kaum allgemeingültige Lösungen gibt. Doch der Aufwand lohnt sich, denn oft führen bereits kleine individuelle Veränderungen und Anpassungen zu überraschend großen Wirkungen. Damit wird auch deutlich, dass ein regelmäßiger direkter Kontakt zwischen Führungskraft und Mitarbeitern notwendig ist, damit deren intrinsische Motivation erhalten bleibt. Die beiden Themen Nähe und Motivation sind eng miteinander verknüpft.

Wirkungslosigkeit extrinsischer Motivation

Warum ist der monetäre Aspekt unserer Arbeit so häufig eher ein Demotivator denn ein Motivator? Wieso sind Prämien­regelungen oft so problematisch? Aus psychologischer Sicht verschiebt eine von außen wirkende Motivation wie eine Prämie die gefühlte Motivation von innen nach außen. Extrinsische Motivation ersetzt die intrinsische Motivation.Dies ist gerade in der IT besonders tragisch, da nach unserer Erfahrung so viele Mitarbeiter eine besonders hohe intrinsische Motivation haben. Wir haben Spaß an der Arbeit und möchten einen wirklich guten Job machen. Larry Constan­tine erkannte schon vor 25 Jahren als zentrale Motivation von Softwareentwicklern „Have fun and do good work!“, wobei er sich bei diesem markigen Zitat auf Rob Thomsett beruft [4].Durch den Versuch, diese Leistung zu prämieren, wird der Bezug zur Leistung in unserem Empfinden neu definiert. Wir entwickeln die Software mehr und mehr für die Prämie. Doch extrinsische Motivation kann süchtig machen. Und wie ein Drogensüchtiger möchten wir immer mehr von diesem Ersatzstoff erhalten. Diese Verschiebung hat kritische Konsequenzen, über die sich jeder bewusst sein sollte. Was passiert, wenn die Prämie geringer ausfällt als letztes Jahr oder gar ganz ausbleibt? Wir sind sauer und demotiviert: „Wieso denn das? Ich habe mich doch genauso angestrengt wie letztes Jahr!“ Ein kleines Beispiel dient hier zur Illustration.Paul ist Projektleiter bei einem Produkthersteller und ist hoch engagiert. Die Geschäftsleitung bietet ihm daher eine Änderung seines Gehaltsmodells an, das die Möglichkeit für eine sehr hohe Prämie bei gutem Umsatz der Firma enthält. Dies läuft die ersten Jahre hervorragend, die Produkte sind am Markt gefragt, Produktmanagement, Entwicklung, Vertrieb und Marketing machen einen guten Job. Alle sind zufrieden.Nach vier Jahren bricht der Umsatz leicht ein. In der Folge fallen die Prämien spürbar geringer aus. In diesem Zusammenhang fällt jetzt der obige Satz. Paul ist sauer. Es ist noch nicht dramatisch, doch seine Motivation bröckelt.Im nächsten Jahr verringert sich der Umsatz noch stärker und die Prämien entfallen ganz. Paul verdient zwar nur geringfügig weniger als vor der Einführung des Prämienmodells, doch seine Motivation ist ganz im Keller: „So kann ich hier nicht arbeiten. Das hat ja keinen Sinn mehr, und Spaß macht es erst recht nicht!“ Paul kündigt und geht zur Konkurrenz.Die eigentliche, intrinsische und unsere Kreativität fördernde Motivation ist durch den externen Faktor „Prämie“ ersetzt worden. Liefert uns das aktuelle Umfeld nicht genug davon, suchen sich viele ein anderes.Nicht dass wir uns missverstehen: Jeder soll für seine Arbeit angemessen bezahlt werden! Doch ist die Kopplung von Motivation an die Entlohnung in der Softwareentwicklung das kritische Moment. Die Kopplung in Form eines Akkordzuschlags ergibt mehr Sinn, zum Beispiel in der stark arbeitsteiligen, manuellen Produktion. Hier werden von den Mitarbeitern nur Einzelteile gesehen; der Akkordzuschlag ersetzt den nicht erkennbaren übergeordneten Sinn der Arbeit.In der Softwareentwicklung gehen wir davon aus, dass jeder Entwickler das Gesamtprojekt nicht aus dem Auge verliert und so den Sinn seiner Arbeit erkennen kann. Zumindest sollten die Aufgaben im Projekt so strukturiert sein, dass dies den Mitarbeitern ermöglicht wird. Dadurch, dass wir in der IT ein vergleichsweise gutes Gehaltsniveau haben, sind die zentralen Faktoren für unsere Motivation in den oberen Ebenen der Maslow’schen Pyramide zu finden. Wir möchten attraktive Aufgaben in einer zu uns passenden Gruppe bearbeiten und den Sinn unserer Arbeit wie auch persönliche Perspektiven sehen. Have fun and do good work!

Agile Projekte

Gerade in agilen Projekten besteht ein besonders hoher Bedarf an intrinsisch motivierten Mitarbeitern, um die komplexen Aufgaben, zu deren erfolgreicher Lösung wir ja gerade agil vorgehen, erfolgreich zu bearbeiten. Andererseits finden wir eine besonders gute Ausgangsbasis für eine dauerhaft hohe ­intrinsische Motivation unter den Projektmitgliedern, da ein agiles Vorgehen auf einem besonderen Menschenbild basiert:
  • Menschen handeln zielgerichtet und in positiver Absicht, das heißt, um ihre Bedürfnisse zu erfüllen.
  • Menschen leisten gern einen Beitrag, wenn drei Rahmenbedingungen gelten: Sie tun es freiwillig, es stehen keine eigenen Bedürfnisse im Weg und sie können darauf vertrauen, dass ihre eigenen Bedürfnisse berücksichtigt werden.
Aus dem ersten Punkt ergibt sich die Möglichkeit, einen konstruktiven Umgang mit Fehlern zu erlernen. Wir beheben sie und lernen als Individuum und Gruppe daraus, anstatt als Erstes einen vermeintlich Schuldigen zu suchen. Dies bildet die Basis für ein selbstlernendes System, das permanent die Abläufe und Produkte verbessert.Aus dem zweiten Punkt folgt, dass Führung eher eine Dienstleistung am Team und für das Team darstellt. Sie erfolgt daher explizit nicht als „Command and Control“. In einem solchen Kontext ist es für die Führung notwendig, dass die Teammitglieder auch die Kompetenz besitzen, für ihre eigenen Bedürfnisse in angemessener Form einzustehen. Dadurch entsteht eine hohe Anforderung an die Soft Skills der einzelnen Mitarbeiter und ihrer Führungskräfte.Als Basis für diese Form der Führung und Zusammenarbeit ist die gegenseitige Wertschätzung von besonderer Bedeutung. Sie hilft uns die Frage zu beantworten, warum jemand eine Aufgabe übernimmt, weil jemand anderes möchte, dass wir das tun. Grundsätzlich können vier Gründe dafür genannt werden, mit denen wir bereits in unserer frühkindlichen, kindlichen und jugendlichen Entwicklung konfrontiert waren [5]:
  • Gehorsam: Die Autorität hat es so gesagt, also tue ich es so. Früher waren es unsere Eltern, heute ist es ein bekannter Fachautor oder unser Experte in der Stabsabteilung.
  • Angst: Wir haben Angst vor den Konsequenzen: Wenn ich es nicht tue, hat diese Unterlassung für mich unangenehme Folgen. Der Chef will diesen Bericht unbedingt bis 14 Uhr haben, sonst gibt es ein gehöriges Donnerwetter.
  • Schuld oder Scham: Wir glauben, für die Gefühle der anderen verantwortlich zu sein. Peter ist stark unter Druck und völlig fertig, also übernehme ich einen Teil seiner Aufgaben mit, obwohl ich selbst bereits mehr als genug zu tun habe. Wir kennen diesen Aspekt wohl am stärksten aus unserem Elternhaus, wenn unsere Mutter ganz traurig war, wenn wir den Teller nicht leer gegessen hatten.
  • Wertschätzung: Wir haben Freude daran, zum Wohl anderer Menschen beitragen zu können und damit auch zu unserem eigenen Wohl. Diese Anstrengung wird von anderen gesehen, anerkannt und geschätzt.
In agilen Projekten wirkt die gegenseitige Wertschätzung als zentraler Mechanismus zu der Motivation, sich für das einzusetzen, was im Sinne aller ist. In einer solchen Atmosphäre kann besonders aktiv, kreativ und effizient gearbeitet werden.

Balance zwischen Aufwand und Ertrag

Das Thema Motivation möchten wir nicht abschließen, ohne noch kurz auf das Phänomen der Open-Source-Entwicklung einzugehen. Hier arbeiten weltweit Entwickler oder Firmen zusammen, um leistungsfähige und nach den GNU-Lizenzbestimmungen frei nutzbare Softwareprodukte zu erstellen, ohne dafür direkt Geld zu bekommen. Diese hohe intrinsische Motivation finden wir auch bei ehrenamtlichen Tätigkeiten wieder, doch hat sie in der Softwareentwicklung eine besondere Ausgestaltung erfahren.Normalerweise sind wir darauf angewiesen, unsere Arbeitskraft für Geld anzubieten, um unseren Lebensunterhalt sicherzustellen. Was motiviert uns zu unserem Job? Wenn wir kein Gehalt mehr beziehen würden, kämen viele sicherlich nicht mehr zur Arbeit. Doch in unserem Beruf, der Softwareentwicklung, ist da oft noch mehr!Es geht um einen Ausgleich und einen Ertrag. Wir stecken einen persönlich wahrgenommenen Aufwand in unsere Arbeit und erhalten dafür einen ganz bestimmten, persönlich wahrgenommenen Ertrag. Wenn möglich, suchen wir uns einen Beruf aus, in dem dieses Verhältnis von vorneherein für uns persönlich nicht zu negativ ausfällt. Wir benötigen in unserem Beruf noch zusätzlich eine Kompensation in Form unseres Gehalts, damit wir insgesamt einen positiven Ertrag erhalten. Nur dort, wo der persönlich wahrgenommene Ertrag bereits höher ist als der Aufwand, und nur dann, wenn wir unseren Lebensunterhalt gesichert haben, können wir ohne Kompensation, also Gehalt, tätig werden (Bild 3).
Wir erkennen an der Darstellung in Bild 3, dass der Ertrag einen deutlich größeren Bereich einnimmt als die Kompensation. Dies deckt sich mit unseren Erfahrungen in der IT-Branche. Der Ertrag über Anerkennung und die Möglichkeiten, Freiräume gestalterisch zu nutzen, Neues zu lernen oder Erfolg und Spaß zu haben, wirkt deutlich stärker als die monetäre Kompensation. Daher ist es für Führungskräfte besonders lohnenswert, an diesen Faktoren zu arbeiten, um eine geringe Fluktuation im Team zu erreichen. Softwareentwickler wird man kaum über das Gehalt halten können, sondern viel stärker über den persönlichen Ertrag, der allerdings etwas Individuelles ist und von den persönlichen Bedürfnissen des Einzelnen abhängt.Wir sollten also unsere Mitarbeiter gut kennen und uns regelmäßig mit ihnen austauschen. Sonst bieten wir etwas Falsches an, was nicht den persönlichen Ertrag steigert, sondern schlimmstenfalls sogar den Aufwand erhöht. Ein typisches Beispiel dafür ist es, einem Mitarbeiter ohne Rücksprache mehr Verantwortung zu übertragen, in der Annahme, die zusätzliche Anerkennung sei ihm wichtig. Wenn das wirklich der Fall ist, funktioniert das. Wenn nicht, steigert es nur den Aufwand und reduziert sogar den Ertrag, da dieser Mitarbeiter dann vielleicht unter einem als zu hoch empfundenen Druck steht oder Aufgaben wahrnehmen muss, die ihm nicht zusagen.Prinzipiell bleiben einem Mitarbeiter bei einem gefühlten negativen Aufwand-Ertrag-Verhältnis drei Strategien [3]:
  • A-Minus-Strategie: Mit einem Dienst nach Vorschrift wird der Aufwand so lange reduziert, bis er wieder zum Ertrag passt.
  • C-Plus-Strategie: Durch eine höhere Kompensation über mehr Gehalt oder geldwerten Vorteil wird versucht, die Diskrepanz zwischen wahrgenommenem Aufwand und erlebtem Ertrag wieder in Einklang zu bringen. Dies kann bis zu einer als Schmerzensgeld erlebten Zusatzvergütung gehen.
  • E-Plus-Strategie: Durch eine Steigerung des Ertrags, zum Beispiel über mehr Anerkennung oder zusätzlichen Status, wird versucht, ein positives Verhältnis herzustellen.
Bei vielen Menschen gerade in der IT dominiert die E-Plus-Strategie. Dies ist der Grund, warum wir über die individuell erlebte Ertragssteigerung Zufriedenheit bei einem Mitarbeiter dauerhaft wiederherstellen können.Und hier liegt wohl auch ein wesentlicher Grund für das Phänomen der Open-Source-Entwicklung. Der individuelle, persönlich erlebte Ertrag durch Anerkennung aus der Community, Erfolg und so weiter ist so hoch, dass viele Entwickler einen Großteil ihrer Freizeit dafür als Aufwand investieren. Unter Umständen erhalten sie dort den Ertrag, den sie in ihrer regulären Arbeit in dieser Form nicht erhalten. Das ist deshalb so wichtig, weil auf der Ertragsseite unsere individuellen Bedürfnisse erfüllt werden.

Was lernen wir daraus?

Unsere (intrinsische) Motivation ist etwas, was wir von Natur aus mitbringen. Als Führungskräfte haben wir die Aufgabe, diese bei unseren Mitarbeitern zu erhalten, zu pflegen und auszubauen. Viel zu leicht wird sie zerstört oder von extrinsischen Motivatoren verdrängt.Intrinsisch motivierte Mitarbeiter sind ein zentraler Erfolgsfaktor zur Lösung unserer komplexen Aufgaben. Einige wenige Vordenker und ein Rudel fleißiger Arbeitsbienen werden den Aufgaben des 21. Jahrhunderts nicht gerecht. Dadurch steigt der Wert jedes einzelnen Mitarbeiters und zugleich unsere Abhängigkeit von ihnen enorm. Die hier vorgestellten Modelle geben uns eine Leitlinie für unser Handeln als Führungskraft. Die Hygienefaktoren und Motivatoren nach Herzberg bilden dafür den Einstieg. Das Job-Characteristics-Modell zeigt uns das Zusammenspiel von Sinn, Verantwortung und Sichtbarkeit für intrinsisch motivierte Mitarbeiter. Gegenseitige Wertschätzung und unser Fokus auf den für jeden Mitarbeiter individuellen Ertrag runden die Leitlinie ab.Mit diesem Artikel hoffe ich, Ihnen die Zusammenhänge um die (intrinsische) Motivation, ihren Wert und ihre Zerbrechlichkeit insoweit nähergebracht zu haben, dass Sie angemessener damit umgehen können. Wenn Sie in der Situation sind, dass Sie sich von Ihrer Führungskraft einen wertschätzenderen, individuelleren Umgang wünschen, bitten Sie ihn oder sie, sich mit diesen Themen auseinanderzusetzen. Dieser Artikel kann ein Anfang sein.

Fussnoten

  1. Reinhard K. Sprenger, Mythos Motivation – Wege aus der Sackgasse, Campus, 20. Auflage, 2014,
  2. Kent Beck et al., Agiles Manifest, http://agilemanifesto.org/iso/de/principles.html
  3. Uwe Vigenschow, Björn Schneider, Ines Meyrose, Soft Skills für IT-Führungskräfte und Projektleiter, dpunkt.verlag, 3. Auflage, 2016,
  4. Larry L. Constantine, Building Structured Open Teams to Work (Software Development, 91 Proceedings), Miller Freemann, 1991,
  5. Marshall B. Rosenberg, Gewaltfreie Kommunikation – Eine Sprache des Lebens, Junfermann, 10. Auflage, 2012,

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